Ausflug nach Weliki Nowgorod
Vier Stunden hin und vier Stunden zurück. Das ist schon eine recht ansehnliche Exkursion,
auch für unsere beiden russischen Begleiterinnen, die kilometerlange Wegestrecken gewohnt sind.
Für einen Besuch in Nowgorod nimmt man einiges auf sich.
Eine lokale Führerin kümmerte sich um uns. Zuerst ging es an den Ilmensee, besser gesagt in
eine Klosteranlage an dem Ufer des Sees.
In ihrem Umreis gibt es ein Freilichtmuseum, auf dessen Gelände man alte Bauernhäuser
zusammengetragen hat und eine Reihe kleiner Kirchen - restauriert und saniert- zwischen den
Häusern platzierte. Das sind Bemühungen, wie man sie auch bei uns in der BRD findet, ob am
Niederrhein, im Schwarzwald oder anderswo.
Der Blick in die Vergangenheit, wie unsere Vorfahren lebten und arbeiteten, ist immer wieder
interessant. Es ist erstaunlich, wie sich die Lebensgewohnheiten der deutschen und russischen
Bauern vor Jahrzehnten oder vor Jahrhunderten glichen: der Stall, die Scheune, die Wohnung,
alle unter einem Dach, und die Gerätschaften so konstruiert, dass sie im Alltag bestens
funktionierten. Ziel unserer Exkursion blieb aber die Stadt Nowgorod, die alte Hansestadt mit
direkter Verbindung in den Westen, zum Beispiel zur Stadt Lübeck. Man fuhr im Sommer über die
Ostsee den Fluss Wolchow hinab bis Nowgorod. Die Kaufleute brachten Waren und holten welche ab. Im Winter fuhren Sie zurück in die Heimat. Die Schlüssel für das Handelsquartier bekam der Nowgoroder oberste
Orthodoxe Geistliche zu treuen Händen. Im Frühjahr des nächsten Jahres schloss er den
Handelshof wieder auf, wenn die Westler mit Schiffen und Waren wieder ankamen.
Dieser Handelshof ist in seinen Grundrissen wieder sichtbar gemacht. Erhalten und restauriert
sind einige alte Kirchen. Man braucht nicht viel Fantasie, und die Zeit der Hanse wird
lebendig.
Der Handelshof der Kaufleute war durch den Fluss Wolchow vom Rest der Stadt getrennt. Der
Fluss hielt beide auf Distanz. Das Zentrum der Stadt war der Kreml. In seinen Mauern ist die
Sophienkathedrale die zentrale Anlage, umgeben von weitläufigen Klosteranlagen. Das sog.
Magdeburger Tor ist ein Höhepunkt der Sophienkathedrale. In Magdeburg gefertigt, für Polen
bestimmt, fand dieses monumentale Portal in Nowgorod seine Heimat. Seine Wege waren
verschlungen.
Im Inneren besticht die Sophienkathedrale durch ihre Ikonen. Es sind Prunkstücke der
Nowgoroder Ikonenmalerei. Auch wenn die Ikonen oftmals Dramatisches darstellen, sind die
Figuren ruhig, harmonisch, ausgeglichen. Die Farbgebung ist zurückhaltend, ausgewogen. Als wir
Besucher auf die Pskower Ikonen zu sprechen kamen, und von ihren expressiven Gestalten und
ihrer kräftigen Farbgebung sprachen, schien das für unsere Nowgoroder Führerin doch ein wenig
respektlos zu klingen. Es wurde deutlich, wie die beide Städte Pskow und Nowgorod in ihrer
langen Geschichte sich einmal liebten und einmal hassten, sich freundschaftlich unterstützen
oder übereinander herfielen und sich heftig schlugen.
Durchaus friedlich verabschiedeten sich die deutschen Gäste und die russischen Begleiterinnen
aus Weliki Nowgorod. Vorher hatte man sich reichlich versorgt mit Prospekten, Postkarten und
Bildbänden.
Dr. D. Weißenborn, Juli 2013